Graubünden ist der erste Kanton der Schweiz, in welchem die Konsumentinnen und Konsumenten beim Kauf von Bündner Lebensmitteln die Gewissheit haben, dass diese klimaneutral produziert worden sind.
Die Landwirtschaft ist nicht bloss Mitverursacherin des Klimawandels, sondern auch selbst davon betroffen. Immer häufiger auftretende Wetterextreme machen ihr zu schaffen. Neue Schädlinge und Krankheiten, die sich infolge des Klimawandels etablieren, stellen die Landwirtschaft vor zusätzliche Herausforderungen.
Die Reduktion der Treibhausgase und die Anpassung an den Klimawandel gehören zu den grössten umwelt-, gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Herausforderungen der nächsten Jahre und Jahrzehnte. Entsprechend wird der Druck auf die Landwirtschaft steigen, einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Gleichzeitig wächst auch die Zahlungsbereitschaft für klimafreundliche Produkte und Leistungen.
Die Landwirtschaft ist schweizweit viertgrösster Verursacher von Treibhausgasen. Insbesondere das aus der Tierhaltung stammende Methan (CH4) und das bei der Düngung mit Stickstoff entstehende Lachgas (N2O) sind wegen ihrer hohen Treibhauswirksamkeit dafür verantwortlich (siehe folgende Grafiken).
Aufteilung der Treibhausgas-Emissionen nach Sektoren in der Schweiz Quelle: BAFU 2019
Verteilung der landwirtschaftlichen Treibhausgas-Emissionen in der Schweiz 2016 Quelle: BAFU 2019
In der Theorie stehen der Landwirtschaft viele Möglichkeiten offen, Treibhausgase zu reduzieren und weniger Ressourcen zu verbrauchen. Ebenso ist die Landwirtschaft wie kaum eine andere Branche in der Lage, mit natürlichen Mitteln Kohlenstoff dauerhaft im Boden zu speichern und damit der Atmosphäre Treibhausgase (CO2, CH4 und N2O) zu entziehen. In der Praxis ist die Wirksamkeit der Massnahmen aber kaum erprobt. Ebenfalls fehlt die Erfahrung zur flächendeckenden Umsetzbarkeit. Schliesslich soll die Reduktion der Treibhausgase nicht auf Kosten des Tierwohls, der Biodiversität oder der Wirtschaftlichkeit erfolgen. Hier setzt das kantonale Projekt «Klimaneutrale Landwirtschaft Graubünden» an.
Die Regierung des Kantons Graubünden hat im September 2020 entschieden, das Projekt «Klimaneutrale Landwirtschaft Graubünden» zu unterstützen. Sie hat dafür ein Budget von 6,4 Millionen Franken zur Umsetzung der ersten von zwei Etappen (Pilotphase: 2021–2025) bewilligt. Die Laufzeit des gesamten Projektes beträgt insgesamt 10 Jahre. Mit dem Projekt werden nicht nur der Wandel zu einer klimaneutralen Landwirtschaft initiiert und die Widerstandskraft der Betriebe gegenüber den negativen Folgen des Klimawandels gestärkt. Ebenso werden sich die Bündner Bäuerinnen und Bauern mit individuellen, praxistauglichen Klimamassnahmen und -projekten einen Wissens- und Umsetzungsvorsprung verschaffen. Dies soll zu einem Wettbewerbsvorteil in einem wachsenden Markt für klimaschonend produzierte Nahrungsmittel und Dienstleistungen (Stichwort CO2-Zertifikate) führen. Im Aufbau einer klimaneutralen Landwirtschaft leistet der Kanton schweizweite Pionierarbeit. Auf dem Weg zu einer klimaneutralen Schweiz wird die Bündner Landwirtschaft nicht zum Hindernis, sondern präsentiert sich als Teil der Lösung.
Das Interesse am Projekt ist gross. Aus über 120 Bewerbungen haben die Projektverantwortlichen 50 Pilotbetriebe für die erste Etappe bestimmt. Die Pilotbetriebe verteilen sich über alle Talschaften des Kantons und repräsentieren die Vielfalt der Bündner Landwirtschaft. Gemeinsam mit den beiden kantonseigenen Gutsbetrieben Plantahof und Realta werden sie auf freiwilliger Basis Massnahmen in den Bereichen Tierhaltung, Pflanzenbau und Energie zur Reduktion der Treibhausgase (THG) testen. Als Botschafter und Wegbereiter einer klimaneutralen Landwirtschaft werden sie eine aktive Rolle übernehmen. Die Pilotphase wird in zwei Förderbereiche aufgeteilt. Im «Förderbereich A» wird jeder Pilotbetrieb hinsichtlich seines Energieverbrauchs und seiner THG-Emissionen bilanziert. Ebenso erhalten die Pilotbetriebe in einem umfangreichen Schulungsprogramm das erforderliche Wissen, um auf ihren Höfen klimarelevante Massnahmen ergreifen zu können. Dieses Pflichtprogramm bildet die Voraussetzung, um im «Förderbereich B» (Kür) für innovative, noch wenig erforschte einzel- oder gemeinschaftliche Klima-Projekte finanzielle Unterstützung zu erhalten (siehe Abbildung). Fachlichen Support erhalten die Pilotbetriebe in der Umsetzung ihrer Projekte durch die Fachgruppe Klima. Diese setzt sich aus Experten verschiedener Hochschulen, Forschungsinstitutionen und weiteren Organisationen aus der ganzen Schweiz zusammen. Im gross angelegten Experiment mit unterschiedlichsten Projekten werden wertvolle Kontakte und Erfahrungen zwischen Theorie und Praxis ausgetauscht – die Bündner Landwirtschaft wird zum «Freiluftlabor».
Eines ist klar: nicht alle Projekte werden Erfolg haben. In der zweiten Etappe sollen daher nur jene Massnahmen, die sich in der Pilotphase bewährt haben, auf die gesamte Bündner Landwirtschaft ausgedehnt und im landwirtschaftlichen Alltag verankert werden. Um die Vision zu erreichen, sollen Klimaschutz und Ressourceneffizienz mittel- und langfristig über die ganze landwirtschaftliche Wertschöpfungskette Graubündens erfolgen – mit Einbezug von Verarbeitung, Handel und Tourismus.
Bündner Bauern und Bäuerinnen wollen und sollen aus eigener Kraft klimaneutral werden. Das braucht nicht nur viel Mut und Unternehmungsgeist sondern auch Kenntnis von den vielen verschiedenen Möglichkeiten Treibhausgase zu vermeiden. In diesem Massnahmenplan listen wir auf, was aktuell zur Reduktion der Treibhausgase am meisten diskutiert wird. Es gibt aber sicher noch mehr. Wir sind offen für Ideen und Anregungen!